Mit einem Porträt von Annette Schlenker stellen wir hier den Chor und das Team im Hintergrund vor.
Außergewöhnliches schaffen
Musikpädagoge Thomas Kammel weiß, wie gemeinsames Singen erfüllen kann – erst recht in einem Chor, der Außergewöhnliches vollbringt. Und er weiß, wie wesentlich die Kunst persönliche Bildung fördert. Also startet er nach einem erfolgreichen Konzert-Kurzprojekt mit Abiturientinnen und Abiturienten am Schiller-Gymnasium Heidenheim 2005 das Projekt „Neuer Kammerchor“ – nun mit Jugendlichen ab etwa 14 Jahren, stimmlich begabt und empfänglich für Perspektiven. Geprobt wird samstags, jede Woche, unermüdlich. Nicht nur organisatorische Gründe sprechen dafür: Die Bereitschaft, regelmäßig am Wochenende zu proben, bringen die mit, die wirklich wollen!
Konzentration und Vielfalt bestimmen diese Samstage: Neue Stücke kristallisieren sich aus einer Ahnung, aus Noten auf dem Papier und gezielten Hinweisen zu einer ersten Idee. Selbst Aufnahmen anderer Chöre sind nur Anhaltspunkte für das, was die Sängerinnen und Sänger selbst am Ende schaffen werden. Ausprobieren, den Text rhythmisch sprechen, zwischenzählen ... Aus scheinbar fremden Bezügen heraus bindet Thomas Kammel Inhalte und Assoziationen ein, integriert Bewegung, Yoga, Atemtechniken. Im Tutti mündet es in das Erleben, einander zu stützen, bewusst zu atmen, einzusetzen, Harmonie zu spüren ... um dann weiter zu feilen. Der Reifeprozess reißt die Jugendlichen mit: Die Augen leuchten, sie singen einander zugewandt, beginnen zu wippen und lassen sich durch jeden Fortschritt weiter motivieren. Aus spürbarer Freude entsteht höchste Klangqualität.
Glücksgefühl und Erfolg ergänzen sich, einige Mitglieder des Chors tragen sie nach dem Abitur weiter.
Parallel zu Schule und Studium singt der Neue Kammerchor bis zu 40 Konzerte pro Jahr – dank der Förderung durch Sponsoren auch in fernen Ländern. Konzertreisen führen nach Estland, Finnland, Rumänien und auf den Balkan, nach Mexico, Guatemala, Brasilien, Sardinien, Irland und Südafrika. 2014/15 ist der Chor Patenchor des SWR Vokalensembles, im Herbst 2019 Patenchor der internationalen Bachakademie Stuttgart und der Gächinger Cantorey. Goldmedaillen aus Wettbewerben füllen eine Vitrine – das Wichtigste für die Sänger*innen bleibt dennoch der Zusammenhalt. Mittlerweile machen sich noch Jüngere auf den Weg: Die Eleven, 30 Sänger*innen der Klassen 6 bis 9, begeistern als Opernkinderchor bei den Opernfestspielen Heidenheim.
Der Neue Kammerchor ist für sie danach ... fest gebucht!
Annette Schlenker/Ulm im Januar 2025
O-Töne
Fürs Leben lernen
Stimmen aus dem Neuen Kammerchor ...
Sam, 23:
„Ich bin Maschinenbaustudent, dort ist alles super technisch. Wenn ich zuhause bin, ist da auch der Chor – diese andere Welt, wo man einfach mal loslassen kann. Für mich ist er wie ein Anker.“ Im Rückblick: „Als ich in den Chor gekommen bin, hab ich gemerkt, dass die Älteren viel drauf haben und ich habe gelernt und jetzt gehöre ich zu den Älteren ... Es fühlt sich irgendwie wie ein Stammbaum an.“
Katha, 20:
„Wir Großen nehmen die Kleinen mit – so wie ich damals mitgenommen wurde.“ Und: „Es ist anstrengend, wenn man 20 Minuten lang an drei Textzeilen rummacht, bis es jede Stimme kann. Aber der Prozess ist toll: Wenn wir am Anfang denken, das wird eh nichts und dann stehen wir im Konzert und die Leute flippen aus, weil es so krass ist.“
Artur, 15:
„Was ich am Chor am meisten mag, ist das Gemeinschaftsgefühl, das mir sehr geholfen hat: Beim ersten Warm-up saß ich mit Studenten zusammen und die haben mich respektiert. Dieses ‚Komm mal her, wir lernen, wie das geht‘ hilft auch sehr dabei, Musik besser zu verstehen: die Harmonien, Dur und Moll, wie sich die Schlüssel verändern!“
Emilia, 18:
„Ich finde es am coolsten, Zugang zu Stücken zu bekommen, die ich sonst nicht anhören würde. Wenn wir Stücke noch mal singen, die wir vor drei Jahren gesungen haben, merke ich, wie viel ich mich verbessert habe und wie viel einfacher es geworden ist.“ Und, obwohl sie auch Solistin ist: „Es macht Spaß, Teil von so etwas Großem zu sein. Ich singe lieber mit anderen Leuten zusammen, weil es so erfüllend ist.“
Anna, 18:
„Ich bin auf diese Schule gegangen, weil ich wusste, dass hier der Neue Kammerchor singt – ich war Fan. Da kannte man Leute, die am Abi machen waren ... Dann wollte man auch in den Chor, da wurde man ein Teil der Familie.“
Marie, 14: „Ich fand’s ganz am Anfang gruselig, weil die alle das schon so gut konnten. Das war beeindruckend. Aber wenn ich neben jemandem gesessen bin, der mich nicht kannte, haben die sich immer gleich vorgestellt und wenn man ‘ne Frage hatte, wurde die sofort beantwortet.“
Thomas Kammel:
„Ich sehe es schon als etwas Besonderes. Ich denke immer mehr, Platon hat recht, wenn er sagt: „Nulla Ethica sine Aesthetica“. Schiller hat das in kleinen Abhandlungen über die Bildung ähnlich formuliert. Er sagte: ‚Wenn man möchte, dass wir eine bessere Gesellschaft entwickeln, dann braucht man eine ausgewogene Bildung durch Wissenschaften und durch die Künste.‘ Davon sind wir sehr weit entfernt ... Ich sehe an dieser kleinen Insel Kammerchor, dass ästhetische Bildung dazu führt, dass Menschen ein anderes ethisches Verhalten entwickeln: Man lernt was fürs Leben!“
Daniela Burkart (Organisation):
„Der Chor ist einfach mehr als nur die Musik ... Es macht einen hoffnungsvoll, so nette junge Leute um sich zu haben. Das finde ich etwas Tolles, deshalb unterstütze ich es, gebe sehr gerne etwas von meiner Zeit und organisiere, wo es gefragt ist.“